Fachkräftemangel: Herausforderung für Unternehmen und den öffentlichen Dienst
In Deutschland gibt es in vielen Berufen und Regionen freie Stellen, die mangels Fachkräften nicht besetzt werden können. Und die Herausforderungen werden noch zunehmen. Der Beitrag fasst aktuelle Fakten zum Fachkräftemangel zusammen und zeigt anhand von Beispielen, was getan werden kann. Ein besonderer Blick gilt dem öffentlichen Dienst.
Vielerorts gibt es keine ausreichenden Betreuungsplätze für Kinder, weil Kommunen und anderen Trägern zu wenig Erzieher finden. Vorhandene Finanzmittel für öffentliche Investitionen in die Infrastruktur können nicht abgerufen werden, weil Behörden Bauingenieure für die Planung und Umsetzung fehlen. Der Aufbau und Ausbau der digitalen Verwaltung benötigt IT-Experten, die in der Privatwirtschaft leicht das Doppelte verdienen. Der Fachkräftemangel zeigt sich bereits in vielen weiteren Berufsgruppen und beschränkt sich nicht nur auf den öffentlichen Dienst. Engpässe bestehen zum Beispiel auch im Handwerk, in Pflegeberufen und bei LKW-Fahrern
Großer Fachkräftebedarf bis 2030
Mit dem bevorstehenden Ruhestand der geburtenstarken Jahrgänge der Babyboomer bis etwa 2030 wird sich die Situation verschärfen, weil die ins Erwerbsalter nachrückenden Jahrgänge kleiner sind. Der öffentliche Dienst ist von dieser Entwicklung besonders betroffen: Mehr als jeder vierte Beschäftigte in Bund, Ländern und Kommunen war 2018 über 55 Jahre alt und geht damit in den kommenden Jahren in den Ruhestand. Der öffentliche Dienst muss daher besonders stark um den zunehmend knappen Nachwuchs werben.
Auch eine Studie von PWC hat sich mit dem Thema des Fachkräftemangels beschäftigt. Darin wurde herausgefunden, dass dem deutschen Arbeitsmarkt bis 2030 rund 3,5 Millionen Menschen weniger zur Verfügung stehen werden als heute. Das größte Problem wird hier ebenfalls in der öffentlichen Verwaltung erwartet. Das Arbeitskräfteangebot wird schon rein rechnerisch 11 Prozent unter der Arbeitsnachfrage liegen und durch die spezifischen Stellenanforderungen wird der tatsächliche Anteil unbesetzter Stellen noch weitaus größer ausfallen. Der Bund wird durch die absolut geringere Beschäftigtenzahl und die vergleichsweise hohe Attraktivität wahrscheinlich weniger stark davon getroffen als die Länder und Kommunen. Diese haben bereits jetzt eine ältere Beschäftigtenstruktur als der Bund. Besonders in ländlichen Regionen wird das Fachkräfteangebot immer knapper, was es für die Länder und Kommunen zusätzlich erschwert, passende Bewerber für sich zu gewinnen.
Beispiel Sachsen: kein Ersatz für 130.000 Stellen
Eine Studie des Ifo Dresden hat sich mit dem Personalbedarf des öffentlichen Dienstes in Sachsen befasst und dabei auch die Konkurrenzsituation zur Privatwirtschaft beleuchtet. Demnach müssen bis 2030 insgesamt über 550.000 Stellen im öffentlichen und privaten Sektor nachbesetzt werden. Für mehr als 130.000 oder ein Viertel der Stellen würde sich jedoch kein adäquater Ersatz finden. Der öffentliche Dienst wäre mit Nichtbesetzungsquoten von 38 Prozent im Landesbereich und 31 Prozent im kommunalen Bereich davon besonders stark betroffen. Das betrifft vor allem die Verwaltungsberufe sowie Lehrende und ausbildende Berufe. Hohe Nachbesetzungsschwierigkeiten werden darüber hinaus unter anderem für das Verarbeitende Gewerbe, das Baugewerbe sowie den Bereich Verkehr und Lagerei erwartet.
Bund reagiert mit Fachkräfteeinwanderungsgesetz
Der im Dezember abgehaltene Fachkräftegipfel der Bundesregierung, bei dem das Fachkräfteeinwanderungsgesetz eines der Hauptthemen war, zeigt ebenfalls deutlich die Dringlichkeit der Thematik. Mit dem Gesetz soll qualifizierten Fachkräften auch aus Nicht-EU Ländern der Zuzug nach Deutschland erleichtert werden. Damit reagiert die Regierung auf die Tatsache, dass der wachsende Bedarf an Fachkräften schon jetzt nicht einmal mehr von inländischen und europäischen Kräften gedeckt werden kann. Auf Internetportalen des Bundes wie Make-it-in-Germany werden umfassende Informationen zu Fragen der Fachkräfteeinwanderung bereitgestellt. Dies zeigt deutlich, dass die Bundesregierung den Handlungsbedarf bereits erkannt hat.
Inländische Potenziale gegen Fachkräfteengpässe
Wie für Engpassberufe das inländische Potenzial an Fachkräften besser ausgeschöpft werden kann, hat eine Studie des Kompetenzzentrums Fachkräftesicherung (KOFA) untersucht. Grundsätzlich zeigen die Ergebnisse, dass die Engpässe bei der Besetzung von offenen Stellen in geschlechterspezifischen Berufen am größten sind. Das sind solche Berufe, die zum Großteil nur von Männern oder nur von Frauen ausgeübt werden. Deshalb gilt es unter anderem, die Arbeitszeiten von Beschäftigten so flexibel zu gestalten wie möglich und somit zu erhöhen. Immer mehr Frauen äußern bereits den Wunsch, zwar nicht Vollzeit arbeiten zu wollen, aber mehr Stunden in der Woche als ihnen bislang möglich ist. Da auch bei Männern die Nachfrage nach Teilzeit immer stärker wird, gilt es, auch in männerspezifischen Berufen diese Möglichkeit vermehrt zu schaffen. Auch wenn in diesen Berufen eine Teilzeittätigkeit oftmals nur schwer möglich ist. Dies könnte Engpassberufe für potenzielle Fachkräfte attraktiv machen. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, direkt bei der Berufswahl der nächsten Generation anzusetzen und mit typischen Geschlechterklischees so früh wie möglich zu brechen. So können Frauen dazu motiviert werden, sich in bislang von Männern dominierten Berufen auszubilden und umgekehrt.
Ein weiteres großes Potential birgt die gezielte Weiterbildung. Dazu zählt auch die Qualifizierung von un- und angelernten Helfern zu Fachkräften. Helfer kennen ihren Tätigkeitsbereich und haben häufig gute Einblicke und erste Praxiserfahrung hinsichtlich der Arbeit, die eine Fachkraft im entsprechenden Beruf ausübt. Die KOFA-Studie identifiziert 30 Berufe, in denen es einen Mangel an Fachkräften und gleichzeitig einen Arbeitslosenüberhang bei den Helfern in dem korrespondierenden Helferberuf gibt. Das gilt zum Beispiel für Pflegeberufe, in der Kinderbetreuung und -erziehung, Gastronomie, Lagerwirtschaft oder Metallbearbeitung. Die Weiterbildung von Helfern zu Fachkräften ist aber mit viel Einsatz auf beiden Seiten, der potenziellen Fachkraft und den Arbeitsgebern, verbunden.
Neue Personalpolitik für Fachkräftegewinnung
Nicht nur der Arbeitsmarkt hat sich durch den demografischen Wandel verändert, auch die Personalpolitik der Unternehmen steht vor einigen Veränderungen. Der Personalpolitik, insbesondere der Personalgewinnung, kommt durch den Rückgang der Arbeitskräfte eine immer wichtigere Rolle zu. Arbeitgeber führen bei der strategischen Personalplanung vorausschauende Diskussionen über Personalengpässe, Talentbedarf, Fluktuation oder Pensionierungen. In einer weiteren Studie des Kompetenzzentrums Fachkräftesicherung geben 43 Prozent aller befragten Unternehmen an, strategische Personalplanung bereits zu nutzen. Weitere 23 Prozent der Unternehmen haben zumindest konkrete Pläne in die Richtung. Mehr als die Hälfte aller befragten Unternehmen geben beispielsweise an, bei der Suche nach Fachkräften sehr guten Bewerbern eine besondere Work-Life-Balance oder monetäre Anreize zu bieten, um sie für sich zu gewinnen. Auch von neuen Recruiting Methoden wird in Zukunft immer mehr Gebrauch gemacht werden. Während aktuell die traditionellen Personalgewinnungsmethoden wie Online-Stellenangebote oder Jobmessen noch die klare Nummer eins sind, möchten mehr als die Hälfte der Unternehmen in Zukunft innovativere Methoden verwenden. Besonders hoch im Kurs stehen dabei das Employer Branding und das Talent Relationship Management. Darunter zu verstehen sind der Aufbau und die Pflege von Unternehmen als Arbeitgebermarke beziehungsweise personalpolitische Maßnahmen mit dem Ziel, vielversprechende (externe) Kandidaten und talentierte Mitarbeiter an ein Unternehmen zu binden.
An Attraktivität arbeiten: Imageproblem des öffentlichen Dienstes
Eine essentielle Maßnahme gegen den Personalmangel ist auch die Verbesserung der Attraktivität als Arbeitgeber. So kommt die eingangs erwähnte PWC Studie von PWC zu dem Ergebnis, dass einige überwiegend dem öffentlichen Dienst zurechenbare Berufe wie Krankenpfleger, Polizist oder Lehrer ein hohes Ansehen haben. Der Beamte an sich findet sich jedoch erst auf dem 23. von 31 Plätzen. Hier zeigt sich ein großes Imageproblem des öffentlichen Dienstes. Deshalb ist es erforderlich, die Stärken, wie Sicherheit, Familienfreundlichkeit und Gemeinwohlorientierung, noch mehr hervorzuheben und an den Schwächen stetig zu arbeiten, um die nächste Generation an Fachkräften für den öffentlichen Dienst zu gewinnen. Dazu soll auch das Portal „durchstaaten.de“ beitragen, das alle Arbeitgeber aus Bund, Ländern und Kommunen sowie ihre vielfältigen und attraktiven Aufgabengebiete vorstellt.
Was meinen Sie? Welche innovativen Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel sind in Ihrem Bereich geplant oder werden schon umgesetzt? Wir sind gespannt auf Ihre Kommentare!
Vanessa Schlosser und das Redaktionsteam des Demografieportals
Die Zahl der im öffentlichen Dienst Beschäftigten ist in den letzten Jahren stark gewachsen, vor allem im kommunalen Bereich. Die wichtigsten Aufgabenbereiche sind Schulen und Soziale Sicherung.
Durch sinkende Attraktivität und restriktive Personalpolitik droht Überalterung. Das ist das Ergebnis einer Studie zu den Trends der Beschäftigungsentwicklung in der kommunalen Verwaltung.
„Neben dem Personalaufbau und den guten Tarifabschlüssen der letzten Jahre trägt diese Reform dazu bei, dass der öffentliche Dienst des Bundes attraktiv und wettbewerbsfähig bleibt“, so Bundesinnenminister Seehofer.
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