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Bewegung ist eine wichtige Bedingung für Gesundheit und damit auch für die Chance auf produktive Tätigkeit im Alter. 2020 veröffentlichte das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung auf Basis der Daten der Studie „Transitions and Old Age Potential“ eine Broschüre zur Lebensphase des Übergangs von Erwerbsarbeit in den Ruhestand, in der dieser Zusammenhang aufgezeigt wird. Beim Online-Gespräch am 17. November 2020 diskutierten Forschung, Politik und Praxis zur Bewegung im Alter.
Dr. Volker Cihlar, einer der Autoren der Studie, sprach mit dem Demografiebeauftragten Baden-Württembergs, Thaddäus Kunzmann, und der Heilbronner Vertreterin des Bereichs Gesundheitsförderung und Prävention im Gesundheitsamt, Claudia Kärcher-Schädel, darüber, wie jeder selbst bis ins hohe Alter aktiv sein kann und wie die Landespolitik körperliche Aktivität im Alter fördern kann. „Bewegungstreffs im Freien“ wurden als praktisches Beispiel vorgestellt.
Die Veranstaltung fand im Rahmen der Reihe „Ländermonate“ des Demografieportals des Bundes und der Länder in Kooperation mit dem Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung statt. Bis Dezember präsentiert sich Baden-Württemberg auf dem Demografieportal mit den Schwerpunkten seiner Demografiepolitik. Ein wichtiges Thema ist die Förderung körperlicher Aktivität, um auch im hohen Alter fit zu bleiben.
Zu Beginn seines Impulsvortrags ging Volker Cihlar auf die positiven Auswirkungen von körperlicher Aktivität ein: Mithilfe von körperlicher Aktivität können Ausdauer, Kraft und Beweglichkeit gefördert werden. Durch Ausdauertraining arbeitet das Herz effektiver und schonender, Beinkrafttraining verringert das Sturzrisiko, Beweglichkeitstraining verbessert die Schwingungsweite von Gelenken und trägt dadurch dazu bei, die Aktivitäten des täglichen Lebens besser ausführen zu können. Zudem beugt körperliche Aktivität Krankheiten wie Diabetes oder Arteriosklerose vor und verringert das Risiko, einen Schlaganfall zu erleiden oder an einer Demenz zu erkranken.
Anschließend stellte Dr. Cihlar die Empfehlungen des American College of Sports Medicine für körperliche Aktivität im Alter vor. Ausdauer kann beispielsweise durch Sportarten wie Schwimmen, Fahrrad fahren oder Laufen sowie durch anstrengende Aktivitäten im Alltag wie schwere Garten- oder Hausarbeit trainiert werden. Insgesamt soll die Trainingsintensität moderat sein.
Allerdings, erklärte Dr. Cihlar, erreicht nur etwa ein Fünftel der Menschen zwischen 65 und 94 Jahren den Umfang dessen, was diese Empfehlungen beinhalten. Er hob hervor, dass nur wenige allein durch anstrengende Alltagsaktivitäten ein solches Ausmaß an körperlicher Aktivität erreichten. Sport oder eine Kombination aus Alltagsaktivitäten und Sport sind daher zentral für das nötige Ausmaß an Bewegung.
Dr. Cihlar stellte vier hauptsächliche Einflussfaktoren auf die Umsetzung körperlicher Aktivität im Alter vor: Erstens erleichtert eine Umgebung mit Infrastruktur wie Schwimmbädern und ÖPNV-Anschlüssen den Zugang zu Sportangeboten. Zweitens trägt die Gesundheitspolitik dazu bei, ob ausreichend Einrichtungen finanziert oder gefördert werden. Drittens beeinflussen in der Umwelt eine Kultur der Bewegung und die Verfügbarkeit von hochwertigen Informationen dazu, wo man sich bewegen kann und wie viel man sich im Alter bewegen sollte, ob Bewegungsintentionen älterer Menschen auch umgesetzt werden (können). Zuletzt entscheidet jede und jeder Einzelne in einer Kosten-Nutzen-Abwägung, ob er oder sie sich körperliche Aktivität zutraut und sich bewegen möchte.
Um ältere Menschen dabei unterstützen zu können, ausreichend körperlich aktiv zu sein, müssen also mehrere Faktoren stimmen. Gelingen kann die Aufgabe, wenn die Akteure dieser verschiedenen Ebenen zusammenarbeiten und dadurch ein ganzheitlicher Ansatz verfolgt wird.
Einleitend ging Herr Kunzmann darauf ein, dass seit 1960 der Anteil der über 80-Jährigen an der Gesamtbevölkerung von ein Prozent auf vier Prozent gestiegen ist und bis 2060 auf zwölf Prozent steigen wird. Ein ähnlicher Trend zeigt sich auch für die über 90-, 95- und 100-Jährigen. Die eigentliche Herausforderung ergibt sich jedoch erst aus der Verschiebung der Altersverhältnisse: 2020 kommen sieben 56-Jährige und etwas mehr als fünf 35-Jährige auf einen 90-Jährigen. 2054 kommen nur noch zwei 56-Jährige und etwas weniger als zwei 35-Jährige auf einen 90-Jährigen.
Als eine mögliche Lösung stellte Herr Kunzmann den Grundgedanken der Gesundheitsstrategie „Gesund in allen Lebenslagen“ des Landes Baden-Württemberg vor. Sie zielt nicht nur darauf ab, Kranke im Genesungsprozess zu unterstützen, sondern auch Gesunde gesund zu erhalten. Die Vernetzung der Gesundheitsämter beispielsweise durch die kommunale Gesundheitskonferenz spielt dabei eine wichtige Rolle.
Landkreise und Kommunen sind eigenverantwortlich im Bereich der Gesundheitsförderung. Das Land kann zwar keine verbindlichen Maßnahmen vorgeben, jedoch Handlungsempfehlungen auf Basis von Pilotprojekten aussprechen.
In den Kommunen betrifft die Gesundheitsförderung die Bereiche Gesundheit, Sport, Soziales, Stadtplanung und Klimaschutz (klimafreundliche Umsetzung der Maßnahmen). Wesentlich ist, dass Vereine, Fitness-Studios und offene Angebote vernetzt sind, Infrastruktur bereitgestellt ist und die Finanzierung von Maßnahmen gewährleistet werden kann. Die zentrale Rolle spielen lokale Sportvereine.
In Zukunft geht es für die Kommunen darum, Bewegung mit dem Sozialen zu verbinden. Denn, so hob Herr Kunzmann hervor: Neben Mobilität wird im hohen Alter auch das persönliche Netzwerk darüber entscheiden, ob wir selbständig, mobil, gesund und eingebunden ein Miteinander leben können.
Als Vertreterin des Landkreises Heilbronn stellte Frau Kärcher-Schädel das seit 2015 laufende Projekt „Bewegungstreffs im Freien“ vor. Die Kooperationspartner sind das Zentrum für Bewegungsförderung am Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg, der Württembergische Landessportbund, der Sportkreis Heilbronn, das Landratsamt Heilbronn und das Gesundheitsamt.
Laut Frau Kärcher-Schädel sind die Bewegungstreffs erfolgreiche niedrigschwellige Angebote, die kostenlos sind, wöchentlich und bei jedem Wetter stattfinden und etwa 30 Minuten dauern. Weder Anmeldung noch Sportkleidung sind erforderlich. Die Bewegungsleiter sind vorzugsweise ein Tandem aus einem Übungsleiter oder einer Übungsleiterin des örtlichen Sportvereins und einer ehrenamtlichen Bewegungsleiterin oder einem ehrenamtlichen Bewegungsleiter (ohne Übungsleiterlizenz). Neben dem Sport ist die Geselligkeit ein weiterer zentraler Aspekt. Durch seine Gestaltung ist das Projekt ressourcenschonend, zeitnah umsetzbar und vielfach erprobt.
Um so ein Projekt an die Gemeinden zu bringen, braucht es viele unterschiedliche Zugangswege.
Dabei sind formelle Anschreiben und Einladungen nur Mosaiksteine. Viel wichtiger sind Mittelsleute und Plattformen als Multiplikatoren. Zu den Plattformen zählen beispielsweise das Gesundheitsamt, entsprechende Zeitungen oder Zeitungsblättchen. Mittelsleute können Mehrgenerationenhäuser, Senioreneinrichtungen, der Sozialverband VdK, Landfrauen und Sportvereine sein. Regelmäßige Austauschtreffen auf Landkreisebene halten den Kontakt zwischen den Projekten und ermöglichen es, voneinander zu lernen und Erfahrungen auszutauschen sowie bei Bedarf sich gegenseitig zu unterstützen.
Der Anteil der Generation 80+ erhöht sich in den kommenden Jahren kontinuierlich. Wie wichtig sind Bewegung und Sport für ein gesundes und langes Leben?
In Baden-Württemberg sind zum 1. Januar 2020 insgesamt fast 4 Millionen Mitgliedschaften in Sportvereinen zu verzeichnen.
Kommune, Sportverein und ehrenamtliche Bewegungsbegleiter arbeiten im Landkreis Heilbronn zusammen, um ältere Menschen zu einem aktiven Lebensstil motivieren.
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